Wie die Anreise zur Küstenreichsstraße 17 in Nordnorwegen zur Weltreise wurde
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It's A Long Way To The Top

Wie die Anreise zur Küstenreichsstraße 17 in Nordnorwegen zur Weltreise wurde


.. when you wanna rock’n’roll! Das setzt voraus zu meinen, im Norden Norwegens gäbe es Gründe oder Möglichkeiten, irgendwas zu rocken. Zumindest die Möglichkeit hatte ich ja vor 4 Jahren schon einmal vor Augen. Also schloss ich bei einer Einladung ins Nordland entlang der KüstenReichsstraße (KV) Nr. 17, dass ich mich unter professioneller Organisation noch einmal so weit hoch in den Norden wagen kann und dabei auch alle Busse in alle mysteriösen Orte bekommen würde. Unter dem Motto „Der Weg ist das Ziel“ nahm ich den Trip an. Und dann hatte ich ganz viel Weg, wobei das Ziel zunächst der Ausgangsort der Rundreise war. Was soll ich sagen, mit mir und den Wegen in Norwegen ist etwas nicht wie es sein soll.

Der lange Weg ist das Ziel

Nordnorwegen liegt von Berlin aus nur 3 Stunden weg, aber man kann die Anreise auch auf 2 Tage verteilen. Flug Berlin – Oslo: startet um 11:30, tadellos, Sonnenschein und Streik vor Ort, aber alles reibungslos. Flug Oslo – Trondheim: schnelle 1,5 Stunden und Regen bei Landung. Flug Trondheim – Sandnessjøen: umgeleitet nach Mosjøen, Landung um 19:30. Und da stehen 2 Busse bereit, um die umgeleiteten Ölarbeiter und eine handvoll Journalisten an ihre eigentlichen Ziele zu bringen: nach Sandnessjøen. Und nach Brønnøysund. Ihr ahnt was passiert ist? Klar, 4 erwachsene Menschen, die einen Teil ihres Lebensunterhaltes mit der Recherche, Nachfrage und Hinterfrage von Dingen, insbesondere in anderen Ländern bestreiten, steigen ohne Rückfrage beim Busfahrer in den Bus ohne Zielbeschreibung, aber mit den meisten Menschen.

Norwegen Heröy Rorbu

Die lieben Kollegen…

Entschuldigt ist dabei Mitreisende Nr.1, die mit 78 Jahren schon völlig verwirrt über die umgeleitete Landung ist und Englisch zwar versteht, aber nicht spricht. Mitreisender Nr.2 beherrscht faktisch kein Englisch, macht einen ähnlich verwirrten Eindruck, auch wenn er gute 20 Jahre jünger als Nr.1. sein dürfte. Er ist ebenfalls entschuldigt. Nr.3 dürfte mein Alter haben, trägt seit Oslo die Zeitung, für die schreibt, exemplarisch vor sich her und nimmt im Ausland grundsätzlich keine Anrufe entgegen. Könnte ja die Reiseleiterin sein, die auf einem anderen Flug war, schon im lauschig verregneten Sandnessjøen sitzt und auf uns wartet.

„Die merken schon, wenn wir nicht ankommen.“ Sie ist nicht entschuldigt! Ich bin auch nicht entschuldigt und habe daher freiwillig Roaming-Gebühren gezahlt und die Reiseleitung informiert. Ab da bin ich der Depp, der alles koordiniert, den Kontakt zur Leitung hält und alle anderen informiert, wann wir nun zum Rest der Truppe im Ort S. stoßen und ob / wann wir dort noch eine Fähre zur geplanten Unterkunft auf der Insel Herøy bekommen. An dieser Stelle wird einem erschreckend bewusst, wie groß und zerklüftet dieses Norwegen ist und wie sehr Fähren mit Straßen gleichzustellen sind.

Ist das der Bus nach Sandnessjøen?

Derweil schlafen wir ein bisschen im Bus, ahnungslos und voller Hoffnung, nach 1,5 Stunden Fahrt am Fjord entlang durch Regen und Nebel in einem Nest zu landen, dessen Name ich zu dem Zeitpunkt auch schon norwegisch aussprechen kann – der Rest bricht sich einen ab. Ihr lest es jetzt mal „San-nes-schön“ und gehört zum Kreis der Sprecher, es gäbe dann noch „Mu-schön“ und „Brönnöjsund“ – nur zur Übung. Als wir nach 2 Stunden nicht in Sandnessjøen ankommen, ruft die zur Abholung geschickte Dame vom Fremdenverkehrsamt den Busfahrer an. Wir erfahren um ca. 22 Uhr:
1. Dass wir im falschen Bus sind;
2. Dass wir noch eine weitere Stunde in diesem falschen Bus sein werden;
3. Dass am nun falschen Ankunftsort (Brønnøysund) keine Verbindung nach Sandnessjøen besteht (Flughäfen wegen schlecht Wetter zu, Fjord zu breit zum schwimmen);
4. Dass wir in Brønnøysund übernachten müssen und morgen (zu spät für den ersten Programmpunkt) nach Sandnessjøen fliegen könnten.


Fotos: Nordnorwegen

Wo geht’s hier über den Fjord, bitte?

Während ich innerlich an Lachkrämpfen leide, machen sich alle anderen lauthals diskutierend viele Sorgen, wie es denn nun weitergeht. Und dass sie unbedingt den ersten Programmpunkt morgen nicht verpassen dürfen. Die freundlichen Busmitfahrer erklären uns in ihren Lachpausen, dass die Hurtigrute allnächtlich um 1 Uhr in Brønnøysund anlegt und nach Sandnessjøen nur 3 Stunden braucht. Man will den Schlaf riskieren, aber die Reiseleiterin an meinem Telefon kann kein Hotelzimmer in Sandnessjøen auftreiben, und eine Fähre von dort nach Herøy fährt nicht vor dem nächsten Morgen. Um die lange Geschichte und den langen Weg abzukürzen: um Mitternacht sind wir in Brønnøy in unsere Ferienbetten am Fjord gesunken und haben am nächsten Morgen den 12-Minutenflug nach Sandnessjøen sehr genossen.

Norwegen Flug über den Fjord

Verpasst haben wir nichts, das Programm wurde umdisponiert. Muss man den Norwegern echt anerkennen, schnelle Reaktion und reibungsloser Ablauf, selbst im Fall begriffsstutziger Reise-Journalisten.

Endlich: Herøy!

Man erreichte doch noch die Insel Herøy, mit dem Ort Herøy, der Teil einer ganzen Gemeinde Herøy ist, die sich ihrerseits über mehrere Inseln verteilt (und nicht alle heißen Herøy). Verwirrt? Daneben liegt die Insel-Gemeinde Dønna, verteilt auf 4 Inseln mit dem Hauptort Bjørn. An dieser Stelle sollte man hohe Berge sehen, die wurden aber von tiefen Wolken auf die Hälfte gekappt. Dann gucken wir eben statt Landschaft Kultur an. In Norwegen blickt man gern auf die Vergangenheit zurück. Ähnlich wie die Amerikaner sind die stolz wie Bolle, wenn eine Hütte älter als 150 Jahre ist. Daher besichtigen wir im Laufe der Reise zwischen Sandnessjøen und Bodø diverse Kirchen, Bauerngehöfte und Fischereihandelsorte aus früher Zeit. In Dønna steht eine Kirche aus dem 12. Jahrhundert, auf Herøy steht gar eine sogenannte Kathedrale. Bauernhöfe aus 1800-irgendwas und Handelsposten für die lange Zeit einzige Handelsware Fisch. Tollen Blick hat man vom Dønnesfjell, wo acht Leute Fischsuppe löffelten, ein Vegetarier Salat gabelte, während ich versuchte eine vegetarische Fischsuppe zu erschaffen.

Nordeuropas Größter!

Das Highlight des Tages war die Besichtigung des größten Marmorphallus‘ Nordeuropas! Neun Frauen standen da um einen mit Wohlwollen 60 Zentimeter hohen Stein in halbwegs naturgetreuer Form und lachten sich schlapp, während der einzige Hahn im Korb sein Bestes gab, belustigt zu wirken. Ich nehme an, das Wort „größter“ fällt hier mit der Bezeichnung „einziger“ zusammen und wurde sowieso von einem Mann formuliert. Das gute Stück soll auf heidnische Zeiten zurückgehen, aber auch heute noch „im Gebrauch“ zu sein. Angeblich setzen sich schwangerschaftswillige Damen drauf, um die Empfängnis zu erhöhen. Der Glaube daran muss es dann richten!

Norwegen größter Phallus

Der Luther von Norwegen

Gut, besonders unzüchtige Gedanken hatte da jetzt keiner, aber spätestens im Petter-Dass-Museum hätte das einem vergehen sollen. Der Herr wird in Norwegen als eine Art Luther verehrt. Er war aber hauptsächlich ein frommer Psalmendichter. Er hat quasi Protestantismus gepredigt und den katholischen Prunk aus den Kirchen geworfen – mehr als 100 Jahre nach Martin L. Sein Museum in Alstarhaug scheint aber ganz aus dem neuesten Millenium, architekturiert von denen, die auch die Osloer Oper auf dem Gewissen haben. Ein schräger Bau mitten ins Granit gehauen. Imposant!

Petter Dass Museum, Norwegen

Elch & Co. auf dem Tisch

Und nun der Bogen zu einer deutschen Auswanderin, die im Hotel Helgeland am Leirfjord seit fast 2 Jahren als Küchenchefin arbeitet und uns Hirschbraten mit Weintrauben in brauner Soße kredenzte. Ihr Chef, der Betreiber des Hotels, unterhält Elch-Safaris bzw. schießt sie ab, wenn der Herbst kommt. Einen Elch gesehen haben wir natürlich auf der ganzen Reise nicht. Nichts desto trotz, Frau Richter ist begeistert von Norwegen, ihr Mann ackert auf einem Bauernhof und das tun mittlerweile jede Menge Deutsche und Polen, während die Norweger in die Städte ziehen. Es gibt also noch Platz und Arbeit, kurz unterm Polarkreis. Diesem reisen wir weiter entgegen, auf dem Kystriksveien (sprich „Schüst-riks-waien“) nach Nordwesten. In Mo I Rana (Mu-i-rana) ist um 23 Uhr der Tag zu Ende, obwohl die Sonne noch auf zu sein scheint. Der Himmel ist weiterhin grau-weiß, die Luft feucht und kühl. Norwegischer Sommer!

In diesem Sinne,
God natt Tyskland!

Diese Recherchereise wurde unterstützt von Visit Norway. Herzlichen Dank dafür!

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