Warum ich Südafrika mit gemischten Gefühlen verlasse
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Warum ich Südafrika mit gemischten Gefühlen verlasse

Ich muss noch einen Nach(ab)satz dranhängen. Afrika verdient das. Es verlangt es eigentlich sogar. Neben der Landschaft, die einerseits völlig anders ist, als ich sie erwartet habe (stellenweise sah’s aus wie in der Toskana), andererseits das bietet, was ich sehen wollte (Grassteppe mit vereinzelten Akazien, und die freilaufenden wilden Tiere), kann man sich einiger gemischter Gefühle über die soziale Situation nicht erwähren. Hat man ja auch erwartet, in der ein oder anderen Form zumindest.

Wenn man abends reichlich bewirtet wird und schon gar nichts mehr reingeht, bekommt man unweigerlich ein schlechtes Gewissen. Mama hat früher schliesslich immer gesagt „Denk an die Kinder in Afrika…“, wenn ich nicht aufessen wollte. Jetzt sitzt man in Afrika und die Kinder hat man auch gesehen, die die neben dem Auto herlaufen und winken und lachen und grinsend den Schocksatz hochrufen „I am hungry“. Da fragt man sich angesichts der Portionen schon, ob man jetzt das viele Essen aufessen soll (was dann zwar keine Verschwendung mehr wäre, weil man nichts wegwirft) und damit das Bild vom gefrässigen Westler abgibt oder eben Zurückhaltung übt und vielleicht sowas wie Solidarität zeigt mit denen, die nicht so viel zu essen haben (was zur Folge hätte, dass die Reste in den Müll wandern und nicht in die Landstriche, wo man es gern essen würde). Eine No-Win-Situation, wie das eine Person in meiner Umgebung immer zu sagen pflegte.

Südafrika ist ein Schwellenland, keine dritte Welt mehr. Man baut ein Wirtschaftssystem auf, man strebt die Organisation einer Fussball-Weltmeisterschaft an, man exportiert Zucker und Gold. Man bildet seine Bürger aus, so gut das geht. Man ist irgendwie trotzdem noch im Kolonisationszeitalter. Man nennt sich immer noch „Weiße“ und „Schwarze“. Lodges (Hotels gibt es hier kaum) werden von Weißen geführt, auch wenn 66 Prozent per Dekret der ansässigen Bevölkerung oder Kommune gehören. Das zwingt die Weißen, auf ihren Gütern Schwarze aus der Kommune anzustellen, da die ja einen großen Anteil an diesem Land haben. Und dann beschweren sich die Weißen schon manchmal, dass es schwer ist, gute Angestellte zu finden. Gute Angestellte sind solche, die zur Kommune gehören, die man nicht stündlich anweisen muss, die so etwas wie Arbeitsroutine kapieren, die auch morgen wieder zur Arbeit kommen, und möglichst pünktlich.

Solche Angestellte sollten Englisch sprechen können, und Geld sparen wollen – nicht das ganze Gehalt in Süßigkeiten und Handys umsetzen. Und die sind in den kleinen Provinzstädten schwer zu finden. Man bildet sie auf den Gütern entsprechend aus, kümmert sich auch um ihre Familien, die ärztliche Versorgung. Und das betont jeder Lodge-Besitzer, Ranger und Weißer überhaupt: man tut so viel im Kleinen, das immer nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein kann. Aber man unterstützt seine Angestellten wo es geht, damit sie morgen wiederkommen und man nicht wieder viel Mühe und Zeit in die Ausbildung des neuen Personals stecken muss. Man gibt sich große Mühe, die Schwarzen ein bisschen heller zu machen, ihnen die Weiße Sicht der Dinge als die „eine und sonst keine“ Lebensart beizubringen. Nicht für den Moment leben, sondern an die Zukunft zu denken, Geld zu sparen für den Winter, wenn Heizgas gekauft werden muss. Ich kann’s teilweise nachvollziehen, andererseits fragt man sich, ob unsere hyper-abgesicherte „weiße Welt“ wirklich das Maß aller Dinge ist. Wer immer an die Zukunft denkt, vergisst die Gegenwart.

Was die letzten Unruhen angeht, da sind die Touristen wohl zwischen die Fronten geraten. Auch in Südafrika kann man Ausländer sein und unwillkommen. In Jo(hannes)burg häufen sich die Flüchtlinge aus den umliegenden Dritte-Welt-Ländern. Die werden nicht gemocht, weder von den Weißen, noch den Schwarzen. Sie leben in riesigen Wellblech-Ghettos, verkaufen ihre Arbeitskraft billiger als die Bevölkerung. Leben ist hier nicht viel Wert. Die meucheln sich für 500 Rand – 50 Euro. Jemand hat mir erzählt, dass es die Mentalität ist, sie seien einfach so brutal und wild. Jaja, die Wilden in Afrika! Ich habe eingeworfen, dass man es ihnen vielleicht auch nicht unbedingt besser vorgemacht hat, siehe Kolonisationsgeschichte, das ging garantiert nicht unblutig ab… Und im Prinzip bringen auch Weiße Weiße um, „Stammesfehden“ und „Überlebenskampf“ gibt es auch im Nahen Osten und sonstwo zur Genüge.

Ansonsten fand ich die wenigen Schwarzen, die ich gesehen oder getroffen habe, allesamt sehr freundlich. Das Personal in den Lodges war sehr bemüht, keine Fehler zu machen. Man selbst hat sich zehnmal fürs Wassernachschenken etc. bedankt, weil man dieses Sklavenhalterbild einfach nicht aus dem Kopf bekommt, egal wie sehr man es versucht, und ist dann besonders freundlich und entschuldigend. Wenn man durch die Dörfer fährt (haben wir eigentlich nur einmal gemacht) sieht man dasselbe wuselige Markttreiben wie überall auf der Welt. Obst- und Gemüsestände, Holzschnitzereien, Friseure, Handyshops, Sparmärkte, Coca-Cola-Werbung. Traditionelle Kleidung trägt man nur in den wenigen kleinen Stammesdörfern, fernab der Hauptstraßen, und zur Touribelustigung. Ansonsten trägt man Adidas und Nike. Die Damen in bunten Röcken, im stolzen aufrechten Gang, immer irgendetwas, das sie auf dem Kopf balancieren. Außerhalb der Dörfer sieht man viele Menschen am Straßenrand lang laufen. Es gibt keinen Nahverkehr. Man läuft. Bis zur WM 2010 soll für die westliche Fanschaft ein Bussystem eingerichtet werden, das von Stadion zu Stadion transferiert. Wie das passiert, weiß aber noch keiner. Sind aber auch noch 2 Jahre Zeit. Und kommt Zeit, kommt Rat. Man verlässt sich da ganz auf die FIFA, nicht etwa die Regierung! Vielleicht ist das auch besser so, ganz auf Zack ist die ja nun nicht. Wird aber. Wie sagte Isabella, Europa war vor 400 Jahren auch noch nicht so weit und Afrika ist irgendwie noch im Mittelalter…

Nach (Süd)Afrika reise ich sicher nochmal. Aber leben möchte ich da nicht, so toll das mit den Tieren ist und so grandios und weitläufig die Landschaft sein mag.

Ich reiste auf Einladung von South African Tourism.

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