Chichicastenango – Auf der Suche nach der Jaguar-Maske
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Chichicastenango – Auf der Suche nach der Jaguar-Maske

Der Weg ins Zentrum von Chichicastenango ist schmal. Der Kleinbus schiebt sich durch ein Gewühl aus Autos, Mopeds, Menschen, Marktkörben und Tierkäfigen. Beim Abbiegen wird mehrmals vor- und zurückrangiert. Und ist die Gasse noch zu eng, es wird schon gehen. Sonntags ist Markttag in Guatemala und das 100.000 Einwohner große Chichicastenango im Hochland – bekannt für seinen Markt – vermutlich auch deshalb so voll wie der Nürburgring zur besten Festivalzeit.

Markt am Straßenrand von Chichicastenango

Markttreiben überall in Chichicastenango, auch am Straßenrand

Schon vor dieser Reise habe ich diese Tiermasken als typische Souvenirs Guatemalas auf Bildern gesehen und beschlossen, so eine Maske unbedingt mit nach Hause nehmen zu wollen. Chichicastenango, sagte mir unser Guide Walther, sei der beste Ort dafür, auch wenn es fast überall im Land Stände mit Masken gebe. Ich hatte ja gehofft, einem Schnitzer zugucken oder sogar mitmachen zu können. Aber die sitzen vermutlich gar nicht auf den Märkten herum, sondern irgendwo in einem Dorf im Kämmerlein und lassen ihre Werke auf dem Markt von den Frauen verkaufen.

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Den Maya beim Markttreiben in Chichicastenango zugucken

Wir treffen Valeria vom Hotel Mayan Inn, in dem wir später zu Mittag essen werden. Sie führt uns über den berühmtesten Markt Guatemalas. Unser kleines Grüppchen schiebt sich – und wird vor allem geschoben – durch die Kopfsteinpflastergassen, an denen rechts und links die Buden mit bunten Stoffen stehen. Wir überqueren den Platz vor der Hauptkirche. Masken von Affen, Hirschen, Vögeln, Totenköpfen, Maya-Gottheiten und gelben Jaguaren fallen mir im Vorüberlaufen auf, aber stehen bleiben ist nicht geplant.

Wir betreten ein Gebäude, in dem es auf zwei Stockwerken brummt wie in einem Bienenstock. Die kleinen Mayafrauen sind flink und wendig und trotzdem drängeln sie noch. Einige der Quiché-Damen tragen Blusen mit einem aufgestickten Sonnenkranz um den Halsausschnitt. „Sie stecken morgens den Kopf durch die Sonne“ erklärt Valeria. Mayas glauben, dass die Sonne immer zwischen Himmel und Unterwelt pendelt. Wenn sie untergeht, verschwindet sie in der Unterwelt (oder wird dort zu einem Jaguar oder wird von einem getragen – die Theorien sind variabel). Wenn sie morgens wieder erscheint, beginnt mit dem neuen Tag auch wieder ein unbeschwertes Leben. So ungefähr.

Traditionelle Mayablusen auf dem Markt von Chichicastenango

Traditionelle Mayablusen auf dem Markt von Chichicastenango

Wir durchlaufen einige Reihen des Marktes. Säckeweise werden diverse Mais-, Bohnen- und Paprikasorten angeboten. Gewürze, Kürbisse, Wurzelgemüse aller Art, Obst wie Bananen, Papayas und kleine stinkende gelbe Früchte, die ich nicht kenne, getrocknete kleine Fische – alles steht schön drapiert in Säcken und Kisten zum Verkauf, dahinter sitzt meist eine feiste Mama oder ein Cowboy mit Lederhaut. Valeria zeigt uns Pasilla- und Guajillo-Chilis, die später in unserem Mittagessen sein werden. Die Schoten werden im Ganzen getrocknet angeboten. Pasilla-Chilis sehen aus wie ein schwarzes Leder, das zu lange gewaschen wurde, und sollen mittlere Schärfe haben. Hoffen wir, dass es besser schmeckt als es aussieht.

Und immer wieder seh ich rot – der Markt hat eine ganze Tomatenstraße! Um nicht vollkommen nutzlos im Weg zu stehen, schauen wir dem Markttreiben vom 2. Stock aus zu. Gemüse wechselt von Säcken und Tischen in Waagschalen und von Waagschalen in die bunten Webtücher der Mayafrauen, die sie quer über die Schulter tragen. Eine der Cowboy-Verkäufer ist besonders umschwärmt von Kaufwilligen. Vielleicht verkauft er ja Zauberbohnen ;) Wer gerade keine Kunden hat, schwatzt mit dem Nachbarn oder geht selbst ein paar Stände weiter einkaufen. Vor der Markthalle gibt es, mit Planen überspannte Stände für Snacks. Man scheint nicht nur zum Ver- und Einkaufen zu kommen, man trifft sich auch.

Heilige Kanone!

Von der Kirche Santo Tomás her kracht ein Kanonenschlag. Was ist los? Kirchsonntag! Auf den Stufen sitzen die Blumenfrauen und zupfen Sträußchen zusammen, die u.a. als Opfergaben einige Zeit später verbrannt werden. An der Stelle dieser Kirche stand einmal ein Mayatempel, nach der Eroberung durch die Spanier wurde er weggerissen und die Kirche des Heiligen Thomas erbaut. Die meisten Mayas sind offiziell Katholiken, haben aber seit Jahrhunderten ihre alten Bräuche beibehalten. Auch Schamanen sollen hin und wieder auf den Stufen der Kirche Rituale abhalten.

Iglesia Santo Tomás in Chichicastenango

Iglesia Santo Tomás in Chichicastenango

Ausblicke und Draufblicke in Chichicastenango

Bevor wir das Nationalgericht speisen, schauen wir uns im Garten des Hotels noch ein bisschen um. Ich finde die aufgemalten Glyphen an den Wänden ja schon spannend. Aber der Blick zum gegenüber liegenden Friedhof ist einmalig! Naja, vermutlich nicht einmalig. In Guatemala und wohl auch anderen zentralamerikanischen Ländern scheint man öfters so einen Anblick zu haben. Bunt an bunt reihen sich dort „Häuschen“ über den Gräbern. „Die Mayas glauben, die Geister der Toten schauen vom Himmel herab und damit sie ihre Stadt sehen können, malen die Familien ihnen diese Häuschen möglichst auffällig an.“ erläutert Walther. Völlig logische Erklärung!

Friedhof von Chichicastenango

Friedhof von Chichicastenango

Farbenfrohe Gräber

Farbenfrohe Gräber

Auf der Suche nach der perfekten Jaguar-Maske in Chichicastenango

Mit Kollegin Madlen schlendere ich noch einmal auf einen Verdauungsspaziergang zum Marktplatz. Ich möchte ja immer noch eine Maske kaufen und bin noch immer (armer Linguist) dem Spanischen nicht mächtig. Wir durchstreifen die Reihen mit Stoffen, Decken, Blusen, Taschen, Schuhen, Keramiktöpfen, Tonfiguren, Trommeln und Regenmachern und begutachten die Maskenstände ganz genau. Wie immer ist ein Gringo in diesem Marktbereich ein potentieller Käufer für jeden Händler und sie kommen von allen Seiten. Es dauert, bis ich schließlich einen Jaguar gefunden habe, nicht kitschig bunt angemalt, die Tupfen seines Fells kommen dem Originalbraun recht nahe, ein paar Verzierungen in Schwarz und ansonsten ist das Holz naturbelassen. Ich find ihn toll! Mit einer schüchternen Mayafrau handeln wir das Holzkunstwerk von 400 Quetzal (50 $) auf 150 (20 $) herunter und luchsen ihr dabei noch ein freiwilliges Foto mit der Jaguar-Maske ab. Grundsätzlich mögen die Leute Fotografiert zu werden nämlich gar nicht. Ich hätte sie so gern noch ein paar Dinge gefragt. Aus welchem Holz die Maske geschnitzt wurde, wer sie geschnitzt hat, und was der Jaguar eigentlich bedeutet.

Händlerin mit Jaguar-Maske auf dem Markt von Chichi

Händlerin mit Jaguar-Maske auf dem Markt von Chichicastenango

Der Jaguar, so habe ich nachgelesen, ist für die Maya ein übernatürliches Wesen. Nicht (nur) wegen seiner offensichtlichen Kräfte als Raubkatze. Er kann zwischen den Welten wandeln – denn er ist tag- und nachtaktiv. So glaubten die Mayas, dass er nachts die Sonne durch die Unterwelt trägt. Sein Wiedererscheinen am Tage, macht ihn wie die Sonne zu etwas unsterblichen. Deshalb trugen Krieger und Könige Jaguarfelle, Krallen und Zähne als Schmuck, führten einen Jaguarnamen und deshalb trugen sie bei Ritualen eine Jaguarmaske. Tiermasken (alles, was der Dschungel hergibt) werden bis heute für rituelle Tänze benutzt. Der Geist und die Kraft des Tieres soll auf den Träger übergehen.

Goldene Zähne für den wohlhabenden Maya

Zufrieden entfernen wir uns durch die Marktstände vom zentralen Platz und sehen uns plötzlich von Werbeschildern für Zahnverschönerung umgeben. Walther erzählte uns gestern schon, dass das ein Statussymbol bei den Mayas sei. In die vergoldeten Schneidezähne werden Sternchen, Buchstaben und Tierfiguren eingraviert. Interessanterweise sieht man die Goldzähne zwar hin und wieder – aber nie richtig. Die Leute machen einfach den Mund nicht auf. Status haben und Status zeigen scheint nicht das Gleiche zu sein.

Goldzähne gelten bei den Maya als Statussymbol

Goldzähne gelten bei den Maya als Statussymbol

Mayafrau mit Goldzähnen

Mayafrau mit Goldzähnen

Einer Dame mit solchen Goldzähnen kaufe ich einen grünen Quetzalvogel aus Perlensteinchen ab. Kitschsouvenir, die man hier überall angeboten bekommt. Fürs Souvenir kaufen bekomme ich auch wieder ein halbwegs bereitwilliges Fotomotiv, aber so richtig lächeln wollte sie trotzdem nicht.

Ein letzter Blick: Kirche Santo Tomás von Chichicastenango

Wir werfen schließlich noch einen Blick ins Innere der Santo Tomás Kirche. Durch die schwere dunkle Holztür treten wir in eine bedrückende Stimmung. Für eine katholische Kirche ist sie sehr schlicht. Weiße Wände, wenig Mobiliar in dunklem Holz, wie auch die Decke. Bettler und Kranke zünden Kerzen an, ein Mann und ein Mädchen kratzen das verlaufene Kerzenwachs von den Holzbalken. Alles geschieht in Stille. Draußen donnert wieder die Kanone zur Sonntagsfiesta. Wir suchen einen Weg durch die Mütterchen und ihre Blumenstände auf den Kirchenstufen.

Mayafrau auf den Kirchenstufen in Chichicastenango

Mayafrau auf den Kirchenstufen in Chichicastenango

Es wird dämmerig in Chichicastenango. Der Marktplatz ist fast leer geräumt. Die Sonne begibt sich bereits in Richtung Unterwelt, ich muss meinen Jaguar mal in den Koffer packen ;)

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