In Copán zwischen den Zeiten wandeln
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Bring Your Daughter To The Slaughter

In Copán zwischen den Zeiten wandeln

Federschädel, Erste-Stufe-Haifisch, Dunkle Sonne, Sonnenaufgang, Jaguar-Tatze, 18 Kaninchen, Rauch-Schlange, Rauch-Jaguar, Rauch-Affe, Rauch-Muschel, Rauch-Eichhörnchen – na, rauchen euch schon die Ohren? So nannte man sich eben als Maya-König. Da kann ich als „Lahmender Fuß“ nicht so mithalten. Kein tolles Tier im Namen, auch kein Rauch (was wohl bedeutet, man sei den Göttern wohlgefällig wie eine feine Rauchfahne), nicht mal eine Pyramide, von der aus man 20.000 Menschen zurufen könnte: „Leute, es gibt ein neues Album von meiner Lieblingsband!“ oder ähnliches.

Das Leben eines Mayakönigs in Copán

So ein zentralamerikanischer König in den nachchristlichen Zeiten zwischen 450 und 900 schien ein angenehmes Leben zu haben. Im honduranischen Copán lebte er zum Beispiel in einem verträumten kleinen Flusstal am Rio Copán. Hin und wieder schmetterte er eine Rede an seine Vasallen in Ch’orti’ (was in man heute noch in der Umgebung vernehmen könnte, wenn man es einzuordnen wüsste). Er hatte mit allerlei Handel und Staatsgeschäften zu tun und musste als südlicher Außenposten des Mayareichs immer mal auf die Konkurrenz in Tikal, Calakmul und Palenque gucken. Aber sonst hatte er Zeit.

Copán Tempel I

Copán Tempel I

Man konnte sich also mit den schönen Künsten beschäftigen. König 18 Kaninchen tat das. Er ließ im 8. Jahrhundert eine Stele nach der anderen anfertigen und aufstellen – schön verteilt über den Platz. Auf den Stelen war natürlich er selbst abgebildet, an den Seiten ließ er kleine Glyphen-Texte einmeißeln, in denen er sich selbst lobte, Heldentaten berichtete oder ein wichtiges Datum festhielt. Das tun sie ja alle, die Herrscher dieser Welt.

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Stele von Mayakönig 18 Kaninchen in Copán

Stele von Mayakönig 18 Kaninchen in Copán

Frauen und Töchter zum Opferaltar?

Neben all den Stelen hat Herr 18 Kaninchen diverse Altarsteine aufstellen lassen. Auch diese kunstvoll ausgestaltet. Allerdings ohne das Kaninchen, dafür mit „Monstern“, wie Antonio die mythischen Wesen bezeichnet, die bei den Maya sicher eine Bedeutung hatten. So viele Altäre… vermutlich für jeden Anlass einen. Muss das blutig gewesen sein. Unser Guide Antonio konnte mich übrigens beruhigen, Frauen wurden von den Mayas nicht geopfert. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, weder Frauen noch Kinder. Nur den Kriegern kam diese „Ehre“ zu. Außerdem waren einige Frauen am Hofe des Königs Priesterinnen und astrologische Beraterinnen, die opferte man natürlich nicht. Also nix mit „Tochter zur Schlachtbank“ führen, ne ;)

Altar mit Monsterkopf in Copán

Altar mit Monsterkopf in Copán

Kleine Glyphen-Lehre in Copán

Was man heute auf dem relativ kleinen Gelände unweit des modernen Dorfes Ruinas Copán sieht, ist wie immer nur der Gipfel einer Ausgrabungsstätte, für deren weitere Erschließung das Geld fehlt. Dennoch wandern wir immerhin fast 3 Stunden mit unserem multilingualen Guide Antonio über die Weiße Straße zu Tempeln, Stelen, Akropolis und Nekropole der Fledermausstadt. Mich interessiert sowas ja: Glyphen und Bildersprache. In der Hieroglyphe „Copán“ ist beim genauen Betrachten ein Fledermauskopf mit langer Nase erkennbar – vermutlich eine Hufeisennase. Es gäbe heute noch einige Schwärme in der Umgebung, berichtet mir Antonio.

Maya-Hieroglyphen in Copán

Maya-Glyphen in Copán: links die Fledermaus, rechts das Kaninchen

Ob das wirklich ein Kaninchenkopf in der Glyphe von Herrn 18 Kaninchen ist, ist dagegen weniger eindeutig. Aber die 18, die erkennen wir ganz klar! Denn Antonio hat uns noch vor Betreten der Anlage die Zählweise der Maya erklärt. Ein Strich = 5, ein Punkt = 1. 3 Striche + 3 Punkte = 18. 18 Himmelskörper sollen sichtbar gewesen sein, als der König geboren wurde. Und das Kaninchen… guckt euch mal beim nächsten Vollmond die Flecken im Mond genau an. Da sah so manche frühe Kultur ein Bunny – von wegen Mann im Mond!

Eine Treppe voller geheimnisvoller Zeichen

Es ist selbst in Vormittagsstunden extrem schwül und der große Platz der überschaubaren Ruinenanlage baumlos. Dafür ist der Rasen gepflegt und an den Seiten fegen fleißige Angestellte die uralten Sitztreppen. Eine Sisyphus-Arbeit angesichts des ständig blätternden Urwalds drumherum. Wir erhaschen etwas Schatten an der Glyphentreppe – der größten, weil einzigen im ganzen Mayareich. Auf ihren insgesamt 30 Meter hohen 55 Stufen puzzeln sich 2200 Hieroglyphensteine zum längsten Maya-Text der Welt zusammen, der bis heute nicht komplett entschlüsselt wurde. An der Treppe hat ausnahmsweise nicht nur 18 Kaninchen geschrieben (über seinen tragischen Tod bitte hier lesen), daran war ein ganzes Dutzend Dynastien beteiligt.

Hieroglyphentreppe von Copán

Hieroglyphentreppe von Copán

Die Glyphen-Steine werden durch eine Zeltplane geschützt, dennoch sind sie stark verwittert. Ich würde ja gern eine Weile davor sitzen bleiben und versuchen, das ein oder andere Relief im Stein zu erkennen, aber Antonio klettert bereits eine steinerne Treppe hinauf, die eigentlich eine Tempelmauer ist. Mit seinen 77 darf er natürlich einen Wanderstock benutzen, ich schlepp mich – halb so alt – dann mal auf die Wasserflasche gestützt hinterher. Warum muss das eigentlich überall in Zentralamerika so heiß sein?! Meine Hoffnung: „Wir gehen jetzt in den Jaguar-Tunnel.“ Wirklich kühl ist es da allerdings auch nicht.

Tempelmauern und Dschungel, Copán

Tempelmauern und Dschungel, Copán

Der Tempel im Tempel

Der Tunnel ist ein absolutes Phänomen. Archäologen kriegen da bestimmt feuchte Augen, denn man bestaunt innerhalb eines Tempels einen weiteren Tempel, matroschkamäßig. Dass da ein Herrscher über das Haus des anderen gebaut hat – man musste sich ja übertreffen – ist schon einleuchtend. Man kennt das von allen Ausgrabungsstätten: Es gibt immer Bauwerke unterschiedlicher Zeitepochen in unterschiedlichen Erdschichten übereinander gelagert. In Copán kann man durch die Schichten gehen! Ich find das sensationell! Der Tempel innen ist zwar nur durch ein paar Plexiglasscheiben zu sehen, aber man bewegt sich quasi durch zwei Zeitepochen.

Tempel im Tempel von Copán

Tempel im Tempel von Copán

Dieser innere Tempel, der Rosalila ist im Copán Museum am Ausgang des Archäologischen Parks nachgebaut worden, inklusive Bemalung. Sehr bunte Angelegenheit und wirklich beeindruckend. Für mich hat es genau dieser Tempel rausgerissen. Und die vielen Hieroglyphen, von denen ich in Tikal aufgrund der Größe des Geländes kaum welche entdecken konnte.

Rosalila Tempel im Museum von Copán

Rosalila Tempel im Museum von Copán

Herr 18 Kaninchen hat sicher noch ein paar mehr Schätze im Gelände versteckt, aber die, die man bereits ausgegraben hat, dürften wir gesehen haben, inklusive der echten und der steinernen Papageien am Ballspielplatz. Jetzt aber bitte: kühlendes Wasser!

Grüße von Rauchender-Blogger-Schädel Claudi

Diese Recherchereise wird unterstützt von Visit Centroamérica. Vielen Dank dafür! Alle Fotos sind mit Zustimmung der IHAH entstanden, unbedingt das Copyright beachten! All pictures in agreement with IHAH.

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