Am Rande: Die Sache mit den Färöern und dem Walfang
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Am Rande: Die Sache mit den Färöern und dem Walfang

Grindadràp nennen die Färinger das Treiben und anschließende Schlachten von Grindwalen. Wer über die Färöer als mögliches Reiseziel nachdenkt, wird wohl als erstes oder zweites genau daran denken und das Bild von blutroten Buchten vor seinem inneren Auge haben. Tierschutzorganisationen haben sie uns geliefert – über Jahre hinweg. Die Assoziationskette ist da, das Image mehr als angeschlagen.

Ich habe keinen Moment mit der Zusage gezögert, als man mir diesen Kurztrip angeboten hat. Warum nicht?
… weil ich auch anderes mit den Färöern assoziiere
… weil ich noch einige andere Länder kenne, denen ähnliche „Tiervergehen“ vorzuwerfen wären, aber längst nicht boykottiert werden (Norwegen, Island, Japan – wenn es um Wale geht)
… weil ich sonst nirgends mehr hinreisen könnte, denn jedes Land dieses Planeten hat Dreck am Stecken
… weil ich mir meine eigene Meinung bilden möchte und dazu die färöische Seite hören möchte

Walfang-Diskussion auf den Färöer-Inseln

Wie der Zufall es will, sind zu meiner Anwesenheit auf den Färöer Inseln Anfang September auch Tierschützer von Sea Shepherd vor Ort. Ich treffe einige von ihnen in der Lobby unseres Hotels in Torshavn. Auch die Färinger haben in den 2,5 Tagen immer wieder zum Thema Walfang ihre Meinung kundgetan. Ich möchte versuchen, beide Seiten darzustellen. Es ist ein scheinbar unlösbarer Konflikt. Jeder, der sich wirklich mit dem Thema auseinandersetzen möchte, sollte beide Seiten hören und nicht nur die Pressemitteilungen von Tierschutzorganisationen lesen.

Übersicht der Argumente pro und contra Walfang, die mir auf den Färöern begegneten

FäringerTierschutzorganisation
Brauchen den Wal zum Überleben (nicht Tradition) – da es auf den Inseln von je her nur Schafe gibt und keinen Boden für mehr Gemüse als Kartoffeln und Rhabarber.Es gibt in jedem Supermarkt genügend Ersatz-Nahrung.
Wale gehören zu den Fischgründen, die ihre Inseln umgeben.Wale wandern durch alle Weltmeere, gehören niemanden.
Quecksilber-Anteil im Walfleisch tw. verleugnet tw. anerkannt (Frauen und Schwangere sollen laut Gesundheitsminister darauf verzichten) > Gegenvorwurf: viele Länder, die gegen Färöer protestieren, kippen ihre Chemieabfälle in den Ozean und vergiften Fische und Meeressäuger.Quecksilbergehalt im Walfleisch viel zu hoch, Färinger haben gesundheitsschädliche Quecksilberspuren im Körper.
Waljagd ist nicht kommerziell, das Fleisch wird unter Familien der jagenden Buchtanwohner verteilt.Waljagd ist kommerziell, Fleisch wird in Restaurants angeboten.
Grind wird nur gejagt, wenn er an einer Bucht auftaucht, nicht gezielt gesucht. Der Bestand ist stabil. Anzahl der Wale und Jagden schwankt, es wird seit Jahrhunderten Buch darüber geführt, es gibt sogar Nulljahre.Jährlich tausende Wale getötet, keiner weiß, wie viele es überhaupt gibt. Von Aussterben bedroht jedoch nicht.
War immer so und wird immer so sein.Veraltete, nicht mehr zeitgemäße und sinnlose Tradition.
Jeder gefragte Färinger erklärt den Vorgang exakt gleich. Tiere sind in 3-5 Sekunden durch gezielten Messerstreich tot.Qualvoller Tod für die Tiere.
Kein Tod ist human.Inhumane Tötungen.
Früher wurde alles vom Wal genutzt, heute gehen Knochen, Kopf und Flossen (nicht essbar) wieder ins Meer.Köpfe, Flossen und Knochen werden ins Meer zurückgeworfen.
Der Mensch steht an der Spitze der Nahrungskette.Intelligente Tiere darf man nicht töten.
Die Anzahl der Grindwale, die die Färinger jagen, führt nicht zum Aussterben.Wale sind an oberster Spitze der Ozean-Nahrungskette. Weltmeere & Klima geraten in Ungleichgewicht, wenn sie aussterben.
Fleisch wächst nicht im Supermarkt, jedes Schlachthaus in Deutschland sieht genauso aus. Kinder der Färinger lernen, wo ihre Nahrung herkommt und wie sie gefangen wird. Schauen auch bei Schafschlachtungen zu. Touristen werden ferngehalten.Blutrote Buchten könnten Besucher und Kinder schockieren.
Lassen sich nicht von anderen vorschreiben, was sie zu essen haben und was nicht.Es gibt einen Unterschied zwischen Jagd auf freie Tiere und zum Verzehr gezüchteten Tieren.
Eigentlich sollte gar kein Tier verzehrt werden – Sea Shepherd-Aktivisten sind Veganer.

Färinger, die sich nicht mehr verteidigen wollen

Ich sprach mit einem Färinger Kapitän, der seit seiner Kindheit auch an Grindadràp teilnimmt. Er findet, es geht ihm trotz angeblichem Quecksilber im Blut sehr gut. Ich sprach mit einem Guide, der vor seiner Rente beim Tourismusbüro der Inseln arbeitete. Er hat es satt, sich vor Fremden dafür rechtfertigen und verteidigen zu müssen, weil er etwas anderes als Schwein und Kuh isst. Ich kann ihn da verstehen. Er ist außerdem nicht mehr bereit mit Aktivisten zu reden oder ihnen zuzuhören, weil sie seiner Meinung nach auch nicht zuhören. Die Aktivisten ihrerseits berichteten, sie würden hin und wieder auch mit Färingern reden, könnten sich aber meist nur darauf einigen, dass sie sich uneinig sind.

Unserer Busfahrerin Hildrun mischte sich in die Diskussion und flüsterte mir zu „Die Färinger werden nie aufhören, Wale zu jagen.“ Kein Fleisch aus dem Supermarkt könne dieses Fleisch ersetzen. Maximal 500 Gramm pro Woche würden sie essen. Meist lagern sie das Fleisch über das ganze Jahr im Kühlschrank ein (nachdem es eine Weile an der Luft getrocknet wurde). Hildrun flüsterte mir übrigens auch, dass der Herr Gesundheitsminister immer in der ersten Reihe stehe, wenn es um die Aufteilung eines Fangs geht.

Walspeck-Verkostung beim Schaffarmer

Ich sprach auch mit einem Farmer. Óli selbst hat nie einen Wal gejagt, bekommt aber als Buchtanwohner seinen Anteil. Er schwärmt für Fleisch und Speck und grinste über beide Backen als er uns erzählte, dass sein 19jähriger Sohn von Freunden mit zum Fang genommen wurde und nun Opas harpunenartigen Grindwalmesser, mit dem das Blasloch verstopft und so der schnelle Tod der Tiere herbeigeführt wird, würdig weiterverwenden kann. Der Mann strahlte so eine Begeisterung für das „Überleben“ durch die Wale aus, da hat es selbst mich mal gegruselt. Wir saßen bei ihm zu Tisch und bekamen zwischen 3. (Fisch) und 4. Gang (Lamm) eine Kostprobe Walspeck. Wie schmeckt Walfleisch? Keine Ahnung, aber der Speck riecht nicht nur wie Käsefüße… ich habe aus Höflichkeit einen halben Quadratzentimeter zu mir genommen. Zimperlich darf man hier nicht sein.

Walspeck

Tierschutz-Aktivisten mit philosophischen Ansichten

Ich bin meinungsmäßig Achterbahn gefahren – in nur 2 Tagen. Jede Diskussion mit egal welcher Seite brachte einleuchtende Argumente. Dann kam die andere Seite und warf wieder alles über den Haufen. Einer der Aktivisten, ein brasilianischer Grafikdesigner, verglich die Waljagd mit der Sklaverei. Das fand ich dann doch etwas over the top. Auch das Argument, dass Massentierzucht in Deutschland besser sei als Waljagd auf den Färöern, kann ich nicht nachvollziehen. Wir einigten uns, dass es am besten für die Erde wäre, wir Menschen wären gar nicht da… Was ganz eindeutig ein Bullshit-Argument ist.

Färöer Inseln

Walfang in 2014 fürs Überleben?

Ich habe viele Argumente der Färinger verstanden, und bin ganz der Meinung, dass kein Volk einem anderen vorwerfen oder vorschreiben kann, was es essen soll oder nicht. Da es keine rote Flagge für die Pilotwale gibt (man nimmt eine Population von 778.000 an) und die Färinger durchschnittlich 850 Tiere pro Jahr erlegen, verstehe ich den Aufstand darum kaum noch. Andererseits, die wichtigen Vitamine im Walfleisch, die die Färinger Jahrhunderte vor den Importgeschäften gesund gehalten haben, sind mittlerweile auch in den Supermärkten von Torshavn zu haben… Überleben ist für mich kein überzeugendes Argument.

Die Wahrscheinlichkeit eine Walschlachtung mitzuerleben, ist verschwindend gering. Es gibt insgesamt nur 23 Buchten auf den 18 Inseln, an denen das möglich ist und die Walschulen kommen in unregelmäßigen Abständen an den Inseln vorbei. Touristen werden von solchen Stränden dann ferngehalten.

Muss man wegen dieser Diskussion die Färöer Inseln boykottieren?

Äh, wo wollen wir denn dann noch alles nicht mehr hin? Norwegen und Island fangen ganz offiziell und kommerziell Wale… In China essen sie alles, was mehr als zwei Beine hat und kein Tisch ist, einiges davon durchaus vom Aussterben bedroht. Boykottieren wir also jedes Land, das andere Fleischsorten als Ente, Huhn, Schwein und Kuh auf dem natürlich bedingten Tisch bringt? Oder nur die, die bedrohte Tierarten essen? Na dann viel Spaß in… ja, wo eigentlich? Die Liste der bösen Länder ist lang und wenn wir keine Tierschutzvergehen ins Feld führen können, dann gibt es sicher ein Umweltvergehen oder sogar Menschenrechtsverletzungen, die ein Land auf die No-Go-Liste bringen, unser Heimatland eingeschlossen.

Mein persönliches Fazit

Sollte ich die Gelegenheit noch einmal haben: Ich werde wieder auf die Färöer reisen, denn die Landschaft ist unglaublich schön, und ich habe in diesen zwei Tagen kaum etwas von den spektakulären Klippen, vernebelten Berghängen und den geschätzten 124 verschiedenen Schafsorten und die riesigen Papageitaucher-Kolonien gesehen, geschweige denn eine einzige Trollgeschichte gehört.

Ich reiste auf Einladung von Visit Faroe Islands.

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