Wie ich in Damaskus‘ Umayyaden-Moschee zum Obi Wan wurde
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Hold The Line

Wie ich in Damaskus‘ Umayyaden-Moschee zum Obi Wan wurde

„luggage isn’t always on time…“ aber immerhin, es ist wieder da! Unser Hotelmanager of the Year, dazu werden wir ihn nach diesem Trip definitiv wählen, heißt Bayan, Mister Bayan, und kennt Ralph Fiennes vom „Service für und gegen verschwundenes Gepäck“ offensichtlich und ganz gut. Jedenfalls haben die beiden wohl heute morgen schon telefoniert und siehe da, das Wunder von Damaskus: wir dürfen beide Rucksäcke in Empfang nehmen!

Und wieder eine Fahrt zum Flughafen Damaskus

Welch Freunde! Mr. Bayan möchte uns in diesem ganzen Freudentaumel gleich mal in ein Auto setzen und allein zum Flughafen fahren lassen. Wie, selber fahren? Danke… aber… also wirklich… das würde keiner von uns … überleben! Nein, auf keinen Fall fahren wir in diesem Kamikazeland selbst. „We prefer taxi.“ Das kann er aber auch nicht zulassen, angeblich haben wir uns gestern von Achmed ziemlich über den Tisch ziehen lassen. (Ich denke noch immer, mein Leben war mir den Beschiss wert.)

Dann fährt er uns lieber selbst. Der Hotelchef in persona bringt uns zum Flughafen, wenn das mal nicht orientalische Gastfreundschaft und bevorzugte Behandlung des europäischen Devisenbringers ist! Es gibt sogar Gurte in seinem Auto, mit dem er uns gleich noch eine kleine Sightseeingtour liefert. Wir sehen wieder das bröckelige Schlachtfeld von gestern, einen kleinen Teil der etwas besser gepflegten Bausubstanz der Altstadt und das Christenviertel (20% der Stadtbevölkerung huldigen tatsächlich dem lieben Gott) bevor es wieder auf die Autobahn des Grauens geht.

Mit dem Hotelchef zum Gepäckservice

Aber Mr. Bayan ist um einiges entspannter als Achmed und fährt gemütliche 110 kmh wie vorgeschrieben, auch wenn er dabei weniger sicher wirkt als der Taxist von gestern in seinem Geschwindigkeitsrausch. Das Hupen um ihn herum scheint ihn zu irritieren, kann ihm keiner verdenken. Er hupt nur, wenn er überholen möchte, wofür ich ihm sehr denkbar bin. Im Orient steht die visuelle Wahrnehmung der auditiven offensichtlich etwas nach, deshalb schreit hier auch der Muezzin zum Kirchgang und nicht etwa ein Plakat im Schaukasten.

Mr. Bayan ist vermutlich der einzige Fahrer auf diesem Highway, der überhaupt auf seiner Spur bleibt, der Rest der fahrenden Meute macht die zwei Fahrbahnen zeitweilig zu einer Großautobahn mit fünf Spuren. Der deutsche Staatsbürger in mir schreit nach Ordnung und System, das muss ich mir noch abgewöhnen. Am besten Augen zu und hoffen, der Flughafen ist bald erreicht.

Gepäckabholung, die Zweite

Dort werden noch einmal eifrigst die Pässe geblättert und intensiv über das Land im Atlantik nachgeforscht, bevor man den Reisepartner in den Gepäckraum vorlässt, um die Kraxen ungeöffnet (natürlich gegen ein kleines Bakschisch) entgegennehmen darf. Halleluja, frische Wäsche und ach, wie armselig, wir fühlen uns schon nach einem Tag in denselben Klamotten von der Zivilisation verlassen und verloren! Was soll’s, dass wir verwöhnte Westmenschen sind, können wir nicht leugnen, aber man kann ja an sich arbeiten.

Neue Herausforderung: Geld abheben in Syrien

Wir arbeiten schlecht. Stellen uns nämlich schon wieder richtig doof an, als es darum geht, mehr syrische Devisen aufzutreiben. Wir besuchen auf unserem Stadtrundgang die Commercial Bank of Syria und wedeln fleißig mit unseren Kreditkarten. Die mögen sie scheinbar nicht und schicken uns zum Palace Hotel. Die wissen natürlich nicht wie ihnen geschieht und schicken uns… zur Bank, die zum Zeitpunkt unseres zweiten Anklopfens leider schon geschlossen hat. Ich bin voller Zuversicht, dass irgendjemand auf dieser großen Straße mitten in Damaskus weiß, wo ein Bankautomat zu finden ist. Wir fragen uns durch die Bevölkerung, die uns größtenteils Unverständnis entgegenbringt. Der Reisepartner hält sie alle für unfreundlich, wenn sie nach der ersten Frage mit dem Kopf schütteln.

Katzen von Damaskus

Mir reicht das langsam mit dem ziellosen Herumlaufen, also fordere ich jetzt mein Kulturprogramm, wir haben schließlich schon einen Tag verloren und müssten morgen laut Plan weiter nach Palmyra. „Ich will jetzt zur Umayyaden-Moschee, egal wie!“ Muss überzeugend geklungen haben, denn der Reisepartner schlägt konstruktiv vor: zum Hotel zurück und Mr. Bayan befragen. Der beschreibt uns einen Drei-Minuten-Weg zur nächsten Geldmaschine, wo wir endlich Syrische Pfunde ziehen und dann ohne Umschweife ein Taxi stoppen, das uns zur größten Moschee der Stadt bringt. Na bitte, geht doch!

Kultur, bitte: Die Umayyaden-Moschee

Wir laufen durch eine riesige Passage, einen echten orientalischen Bazar, wie ich ihn immer sehen wollte, und ich darf nicht stehen bleiben, nicht mal rüber gucken in die bunten Auslagen. „Die werden wir nie wieder los, wenn du hinguckst!“ Der Reisepartner rennt einfach durch, die Arme um seinen kleinen Rucksack geschlungen, den er vor sich herträgt damit ihn keiner klauen kann. Aber so kommen wir schnurstracks zum Eingang der Umayyaden-Moschee. Ein große Mauer mit einem großen Tor, durch das wir nur treten dürfen, wenn wir Eintritt zahlen, wie sich das für ungläubige Ausländer gehört. (Was könnten deutsche Kirchgemeinden Geld auf diese Weise machen!)

Minarett der Umayyaden-Moschee

Obi-Wan Claudi in der Moschee

Zum Eintritt gehört für mich auch noch ein Umhang mit Kapuze und das Ablegen der Schuhe. Ich sehe aus wie „Obi-Wan Kenobi ohne Sandalen“, den Kommentar konnte Mann sich nicht sparen. Der Innenhof der Moschee friert mir fast die Füße weg – Marmor, schön kühl im Sommer, und eiskalt im Winter. Das verkürzt den Aufenthalt um ein paar Stunden, denn eigentlich gefällt mir, was ich sehe. Vor allem die kleine Kapelle in der Mitte, sieht aus wie eine Mütze auf sechs Beinen. Da wir den ganzen Tag vertrödelt haben, sind wir pünktlich zum Abendgebet hier aufgetaucht. Die Arkadengänge ringsum werden ins rechte, also islamisch grüne Licht gesetzt und ich könnte eigentlich stundenlang die einzelnen Deckenmosaike fotografieren, aber man zieht mich mit ins eigentliche Gotteshaus.

Auf kaltem Marmorboden

„Dürfen wir hier überhaupt rein?“ Niemand hält uns auf, offenbar dürfen wir. Eine riesige Säulenhalle, ausgelegt mit Teppich und einer stattlichen Anzahl Menschen – das ist eine der ältesten Moscheen überhaupt. Ein paar der Menschen knien vor der südöstlichen Mauer und beten. Andere laufen kreuz und quer, Kinder rennen durch den Saal, ihre Mütter sitzen an der hinteren Mauer in Gruppen zusammen und schwatzen.

Kontakte mit den Einheimischen

Mitten im Raum steht eine kleine Kapelle. Im Reiseführer habe ich vorher gelesen, dass an dieser Stelle die Gebeine oder der Kopf von Johannes dem Täufer beerdigt seien und eigentlich mal eine christliche Kirche stand, bevor die Omayyaden ihr Moschee darüber gesetzt haben. Aber man duldet wohl auch Christen, die hier vorbeikommen und an der Kapelle beten. Sehr komisches Bild. Wir beobachten das Treiben, setzen uns an eine Säule in offensichtlichen Nicht-Gebets-Bereich mit Blick auf die Kapelle. Weil ich ständig die Höhe des Raumes bewundere und aufschaue, verrutscht die Kapuze meines gräulichen Gewands.

In der Umayyaden-Moschee

Ich belustige ein paar Kids, die schon seit einiger Zeit immer wieder neugierig und verschmitzt grinsend an uns vorbeilaufen. Denen verschaffe ich vermutlich das Erlebnis des Tages: Sie haben eine echte Deutsche gesehen! Ja, die Kapuze hat mich verraten. Sie quetschen mich aus wie die Geheimpolizei: Name, Land, Größe. Größe?! Was soll die Frage? Ich beantworte brav alle Fragen, bis auf die mit der Größe. Ob ich bei Verwandten hier wäre (nein), wie ich Syrien finde (nett, doch).

Irgendwie niedlich, die lieben Kleinen, sie stellen sich dann alle mal selbst vor. Sie sind zu siebt und diese Namen… Ali kann ich im Kopf behalten, die Redensführerin nennt sich Zes oder so ähnlich. Als wir die Moschee wieder verlassen und durch den Bazar zurückgehen, entdeckt sie mich in diesem Gewimmel von Menschen und ruft mir ein „Bye Claudia!“ hinterher. Ich bin ganz gerührt, und stolz, ich habe schließlich Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung aufgenommen!

Damaskus Omayyad Moschee

Meine Nachtaufnahme ist verwackelt, daher habe ich die Moschee noch einmal nachgemalt – 10 Jahre später ;)

Das erste Schawarma

Wir verzichten auf das Taxi und suchen den Weg per pedes. Es ist dunkel, aber die Straßen sind voller Leben. Die Geschäfte sind noch geöffnet, in den Cafes sitzen nur Männer und rauchen Schischa, viele Imbisse, die Säfte aller Fruchtarten veräußern, ich kann mich kaum satt sehen, und gebe schließlich dem Hunger nach. Heute wird landestypisch gespeist: Schawarma, mein erstes überhaupt, mit Zimtteig und Zitronen-Joghurtsauce. Unglaublich lecker! Aus einem Weiterbummeln wird nicht mehr viel, der Reisepartner fühlt sich in der Stadt nicht wohl, findet alles unsicher und nicht geheuer. Also zurück zum Hotel.

Mr. Bayan überreicht uns zum dritten Mal seine Visitenkarte und auch die eines befreundeten Hotels in Palmyra, wo wir ja morgen schon hinfahren, damit dürfte auch diese Übernachtung geklärt sein.

Bis dahin also, und immer schön in der Spur bleiben :D

Salam
Claudi :)

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