Wie ich mit Casanova durch Palmyras Prachtstraße ritt
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Wie ich mit Casanova durch Palmyras Prachtstraße ritt

So ihr Lieben,

ich habe wieder eine halbwegs stabile Verbindung… und berichte mal von den vergangenen zwei Tagen und einer Reise in der Zeit zurück. Der Montag begann relativ zeitig – ich musste vor 10 Uhr aufstehen! Das ist ja fast wie Arbeiten!!!

Wir lassen uns morgens zum so genannten Busbahnhof von Damaskus chauffieren, scheinen aber eher auf dem Damaszener Autofriedhof angekommen zu sein. Sofort stürzen die von Bayan angekündigten Männer auf uns ein, die gern mit einem Gefährt behilflich sein würden. Wir wünschen nach Palmyra, der Stadt der tausend Säulen, gebracht zu werden und schon haben sich drei der fremden Herren unsere Rucksäcke bemächtigt und ein anderer führt uns zu einem Reisebus, an dem gerade gebordet wird. Sie müssen unsere Pässe kontrollieren, für eine Überlandfahrt in einem Reisebus. Und dann brauchen sie noch eine halbe Stunde bis unsere Namen transkribiert und auf die Tickets geschrieben sind und wir endlich in den Bus voller Einheimische steigen dürfen. Uns wird die vorletzte Sitzreihe zugewiesen, damit wir auch unbedingt an jedem der Mitfahrenden vorbeilaufen müssen.

Mehr Syrien-Fotos von Damaskus bis Aleppo

Busfahrt durch die Syrische Wüste

Für 230 Pfund (ca. 3 Euro) kommt man auf keinen Fall günstiger in die Wüste und sicherer vielleicht auch nicht. Terroranschläge auf Einheimischenbusse gab es doch noch nicht, oder? Darum mache ich mir keine Gedanken, eigentlich schon seit wir das Al Majed betreten haben nicht mehr. Alles freundliche Zeitgenossen hier, die sehen nicht aus als würden sie darauf warten ein paar Westler entführen oder ermorden zu können. Die Ausfahrt aus der Stadt zieht sich am gesamten Damaszener Autofriedhof entlang. Unzählige Werkstätten und Ersatzteillager, halbe Autos in gefährliche Höhe gestapelt, ganze Hundertschaften an Motoren, Radkappengalerien von Audi, VW und Mercedes. Solche Ausmaße habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen, wenn man allerdings bedenkt wie die hier fahren, brauchen sie definitiv alle diese Ersatzteile.

Sowie die Stadtgrenze Damakskuses hinter uns liegt, lüftet der Dunstkessel seine Glocke und draußen scheint tatsächlich die Sonne. Zwei Tage lang saßen wir im grauen Dunst, jetzt sitzen wir im Bus und der gelbe Idiot strahlt. Zweieinhalb Stunden fahren wir durch karges Land, staubige Wüste und unbewachsene Berge. Die Szenerie gefällt mir: karge Steinwüste unter blauem Himmel. Doch etwas, das ich nicht verstehe, sind Schafe in der Wüste. Kein Baum, kein Strauch, kein Grashalm ist in dieser Ödnis auszumachen. Was fressen die Schafe? Staub? Steine? Ein paar Beduinenzelte mit Plastikplane abgedeckt entdecke ich immer mal wieder am Horizont, umgeben vom absoluten Nichts. Vielleicht ist hinter den Bergen Grasland. Irgendwo muss es auch in dieser Wüste Oasen geben.

Syrische Wüste

Achja, da fahren wir hin, in die Oase Tadmur, vor Jahrhunderten von den Römern auf den Namen Palmyra getauft. Ein Wegweiser zeigt an einer Kreuzung Richtung Bagdad, 100 Kilometer. Wir fahren allerdings geradeaus und nehmen unseren Gratisdrink entgegen. Das ist ein Becher Wasser, das sicher aus irgendeinem Brunnen geschöpft wurde ohne zusätzliche Filterung, und ein Fruchtbonbon, um den erdigen Geschmack des Wassers zu übertünchen. Gegen Typhus bin ich ja geimpft, aber von dreckigem Wasser kann man auch die Cholera bekommen, oder? Positiv denken!

Bei Mohammed in Palmyra

Und aussteigen, denn wir sind da: gegenüber des Säulenganges von Palmyra hält der Bus und man signalisiert uns, selbigen zu verlassen. Wir tippeln noch einmal an allen vorbei, lassen unsere blonden Haare bewundern und dann zieht die Karawane ohne uns weiter. Wir stehen mitten im Nirgendwo an einer Betonstraße mit einer Reihe offensichtlich moderner Bauten am Rande des Betons und den fast 2000jährigen römischen Ruinen im Blickfeld. Wo ist das Hotel?

Statt einer Antwort taucht Mohammed hinter uns auf. Er ist sicher nicht der Prophet, aber er möchte uns seine Herberge anbieten, zumindest ein Zimmer darin und hat das Überraschungsmoment auf seiner Seite. Wir können ihn so schnell gar nicht abwimmeln wie er schachert und uns schließlich zum selben Preis wie das befreundete Hotel von Mr. Bayan bei sich einquartiert, praktischerweise gleich auf der anderen Straßenseite. Und wer weiß, ob man von dem anderen Hotel aus auch so einen tollen Blick auf die Ruinen hätte wie von Mohammeds Al Faris?

Mohammeds Hotel in Palmyra

In Zimmer Nr. 11 ist es bitterkalt als wir eintreten und der Blick auf das Fenster mit dem ruinösen Ausblick fällt. Für Heizungsgedanken ist keine Zeit, Mohammed der Geschäftige schlägt uns bereits ein kleines Ausflugsprogramm vor, das wir ebenfalls nicht ausschlagen können und wollen. In Windeseile hat er den kompletten Tag verplant, einen Minibus dafür bereitgestellt und sogar schon die Weiterfahrt nach Aleppo für morgen gedealt.

Kamel-Ausritt durch Palmyra

Ein erklärender Führer fehlt uns leider, also stolpern wir einfach so durch die Grabtürme, zu denen Mohammeds Fahrer uns gebracht hat, ohne zu wissen, wer hier begraben wurde. Viel Zeit ist auch nicht, es geht weiter zum Museum, wo ein kanadischer Herr dänischer Abstammung zusteigt, der scheinbar einen ähnlichen Deal mit Mohammed gemacht hat.

Alte Grabtürme bei Palmyra

Am Hadriansbogen, dem Eingang zum historischen Palmyra warten schon die Kameltreiber auf Kundschaft. Ich darf mein Verhandlungsgeschick beweisen und kann unsere Wüstenschiffe für 1110 statt 1400 Syrische Pfund anheuern. Vermutlich immer noch viel zu viel, aber 14 Euro für zwei Kamele pro Stunde ist verschmerzbar. Ich kann bereits einen Esel als Reiter-Erfahrungswert vorweisen, ich glaube ein Pony war da auch mal in früher Kindheit. Aber diese schaukelnden Trampeltiere sind natürlich was ganz anderes, großes Kino! Mein Wüstenschiff nennen sie Casanova, der Reisepartner ist auf Romeo unterwegs.

Kamelreiten in Palmyra

Vielleicht liegt es an der frischen Luft, vielleicht auch am blauen Himmel mit Sonnenschein, hauptsächlich wohl an der Tatsache, dass ich mit einem Kamel durch ein 2000 Jahre altes Ruinenfeld trabe, aber ich grinse über alle Backen und freue mich gleich kaputt darüber. Wir reiten (nagut, ein Kameltreiber führt die Tiere mit uns darauf) durch einen riesigen und langen Säulengang, die alte Kolonnadenstraße. Hier ist also der alte Caracalla (oder sein Abgesandter) im 3. Jahrhundert in seine Außenstelle eingezogen. Vermutlich hat der dabei Weintrauben gefuttert, während man ihn mit Palmenwedeln die damals bestimmt viel wärmere Luft zufächelte, und sich an den Arsch der Welt versetzt gefühlt.

Prachtstraße von Palmyra

Aber ich finde das toll, mich stört ja auch kein Tuchhändler, der nebenher rennt und seine Ware zu verkaufen sucht. Das ist dann jetzt mal des Reisepartners Problem, viel Glück beim Abwimmeln, ich blinzle solange in die Sonne und höre zu, wie unser Kamelführer namens 99 (sein Vater habe 100 Söhne, er sei der 99.), Geschichten von fliegenden Kamelen und Wüstenrennen erzählt. Märchen aus 1001 Nacht sind in den 1100 Pfund also auch noch drin, bin begeistert.

Foto mit Kameltreibern in Palmyra

Blick von der Burg auf Palmyra

Später zum Sonnenuntergang bringt uns Mohammeds Fahrer zur alten Araberburg Qalʿat Ibn Maʿn oberhalb der Oase. Zu dieser Tageszeit soll sie besonders hübsch aussehen, hat Mohammed gesagt und wir tun ja schon lange nichts anderes mehr als wie uns geheißen. Die Kulisse ist schlicht, unwirklich, und irgendwie traumhaft schön: kahle Berge ragen aus einem Meer staubiger Wellen, auf ihren Spitzen thronen die Silhouetten von steinernen Türmen im Gegenlicht. Hinter uns wärmt sich die Burg im gleißenden Sonnenuntergangsgelb und mich gleich mit. Niemand ist hier, keine Menschen, keine Stimmen, nur der Wind pfeift durch die Wüste. Ich glaub, wir drei sind die einzigen Touristen in diesem Land.

Blick von der Araberburg Qal at, Palmyra

Shisha und Syrischer Wein am Abend…

Mohammed lädt uns am Abend in seine Stube ein, wo er uns mit Schischa, Syrischem Wein (31% Alkoholgehalt) und Arak (Holla, giftiges Zeug, schmeckt wie Ouzo und hat 52%) bewirtet. Ein vergoldetes Assad-Relief beobachtet uns von der Wand herab, wie wir Wasserpfeifchen schmauchen und uns syrischen Wein hinter die Binde kippen. Nebenbei betreibt man Konversation mit Mohammed dem Geschäftigen, der nun auch seine Cousins dazu holt und uns zur allgemeinen Belustigung der anwesenden Syrer Tücher um die Köpfe bindet, wie man das hier so tut. Wir sehen lächerlich aus, schwatzen aber trotzdem ungeniert weiter über Irak-Krieg, islamische Trinkvorschriften und die schönen Frauen im Libanon bis wir um 21.30 Uhr sturzbetrunken ein letztes Familienfoto vor dem Haus schießen und uns aufs Zimmer schleppen. Das ist trotz der Heizung der reinste Eiskeller, aber der Alkohol macht Vergessen.

Posing mit Mohammed

Baal-Tempel

Am nächsten Tag müssen wir um 7.45 Uhr auf der Matte stehen, hat uns Mohammed angewiesen. Es geht weiter im Kulturprogramm. Mohammeds Minibus fährt uns wieder zum Hadriansbogen, allerdings befindet sich das heutige Besichtigungsobjekt auf der gegenüberliegenden Seite. Den Baal-Tempel haben wir gestern nicht mehr geschafft, also turnen wir – noch immer die einzigen Touris im ganzen Land – durch ein riesiges Tempelareal ohne Dach mit 20 Meter hohen Säulen, die einst wohl den Hauptteil des Tempels begrenzt haben. 8 Uhr morgens ist nicht meine Zeit, da schlafe ich für gewöhnlich. Mein Bild vor dem Tempel, verkrochen in eine Regenjacke mit zu kurzen Ärmeln (war so ein Last-Minute-Projekt), ist ja wohl Beweis genug. Wir bestaunen noch die impossanten, dicken Mauern, die man zu Ehren des biblischen Abgottes um den Tempel gezogen hat und tippeln dann wieder zum Minibus.

Baal-Tempel in Palmyra

Taxifahrt nach Aleppo

Man drückt Mohammed für den gestrigen geistreichen Abend und seinen Organisationsservice 50 Dollar als Ausdruck der persönlichen Begeisterung in die Hand und hüpft frohgemut zusammen mit dem dänischen Kanadier in das Privattaxi, das Mohammed der Geschäftige uns für die Weiterfahrt ins knapp 300 Kilometer entfernte Aleppo organisiert hat. Dieses Mal spricht der Fahrer sogar etwas Englisch. Und dieses Mal hat das Taxi auch Gurte, noch in Folie verpackte und nie zuvor benutzte. Der Wagen sieht nagelneu aus. Haled erzählt, der habe das Auto erst vor einer Woche in Dubai abgeholt. Dubai? Mann, das sind Tausende Kilometer von Dubai bis Syrien! Uns kann er ja viel erzählen.

Hauptsächlich redet er mit den beiden Herren, ich gucke mir lieber die Landschaft an, als könnte man sich an dieser Staubwüste nicht satt sehen. Beduinenzelte wieder, mit Schafherden davor. Bienenstöcke, bei denen mir wieder die Frage kommt, wo die Bienen den Nektar herholen? Die Antwort folgt einige Kilometer später, als am Rande der Straße erste grüne Anpflanzungen auftauchen. Es wird noch viel grüner, ganze Wiesen werden das! Die Straße wird enger und kurviger, wir winden uns einige Höhenmeter und durch ein paar Dörfer bis wir an der Burg sind, die ich auf unser Besichtigungsprogramm gesetzt hatte: Krak des Chevaliers.

Kreuzritterburg Krak des Chevaliers

Die Kreuzritterburg aus dem 13. Jahrhundert ist eine der Attraktionen dieses Landes, die man gesehen haben muss. Und jetzt sehen wir sie, und davor sehen wir vor allem die Postkartenverkäufer und potentiellen Burgführer auf uns zustürmen. Wir schaffen es durch das Getümmel ohne Geld auszugeben und schlendern durch den dunklen Gang in die Burg und auf einen der Höfe zu. Und dann steht plötzlich ein kleiner Mann neben uns und erzählt, dass dies eigentlich der Stall der Burg war und da drüben sei ein weiterer und es gäbe da auch eine kleine Treppe zu den Mannschaftsquartieren und schon haben wir einen Führer gebucht. Nagut, bevor man letztlich wieder nur Steine anguckt ohne ihre Geschichte gehört zu haben, nehmen wir an seiner kleinen Führung teil.

Syrien Krak des Chevaliers

Wir erfahren dieses und jenes, ich höre kaum zu, weil ich ihn nicht verstehe, bis auf das „slowly, slowly, slowly“, immer dann wenn wir in einem der Keller und Tunnel die schlüpfrigen Treppen begehen und akute Gefahr droht. Die Burg ist recht groß, hat eine kleine Kapelle, die mir besonders gefällt und wir klettern munter auf den Mauern herum und fotografieren.

Kurzer stopp in Hama

In Hama vor den berühmten (nein, kannte ich vorher auch nicht) Wasserrädern verabschieden wir uns von dem 71jährigen Reiserentner Erling, der nach diesem Trip gen Ägypten ziehen wird. Wir ziehen kurz ums Ufer des schlachtenumworbenen Orontes, der über diese überdimensionalen Räder geleitet wird und fließen dann wieder ins Auto. Der Orontes, Hethiterland, ich bin in der Stadt Sargon des II. und im biblischen Hamath, da wo man vor 3000 Jahren vermutlich schon den Fluss gemolken hat und mit seinen Nachbarn um die Herrschaft über das hiesige Reich stritt. Die alten Schlachten scheinen vergessen – die Häuser rundherum bröckeln vor sich hin, sehen aus als hätte hier erst kürzlich eine Bombe eingeschlagen. Restauratoren hätten ihre wahre Freude. Es mag nicht Persepolis sein, aber Alexander der Große ist hier auch durchgezogen. Und genau wie er ziehen wir weiter nach Aleppo im Norden.

Wasserräder vom Hama am Orontes.

Der Reisepartner steigt nach vorn zu Haled und schnallt sich brav an, als Zeichen, dass es jetzt weitergehen kann. Der Taxifahrer traut seinen Augen nicht und lacht laut los, weil wir wirklich diese Dinger benutzen, deren Nutzungsmöglichkeit er scheinbar noch gar nicht in Betracht gezogen hat. Ich döse für den Rest der Fahrt, während vorne der interkulturelle Informationsaustausch voranschreitet.

Kurz vor Aleppo halten wir und sollen die Taxis wechseln, denn in der Stadt will Haled wohl nicht mit seinem neuen beulenfreien Gefährt am Straßenverkehr teilnehmen. Die Herren laden die Kraxen um, Haled zahlt das Taxi für uns (ist ja eigentlich noch seine Fahrt) und dann verschwindet er. Wir nehmen Kurs auf die Wiege der islamischen Kultur, wie man Aleppo wohl manchmal nennt und meine Begleitung wird zum Berserker. „Wo ist die Kamera?“ Auwee! Die hab ich wohl im Tran in Haleds Taxi auf dem Rücksitz liegen lassen. Katastrophenalarm! Als wir am Hotel ankommen, lässt man umgehend bei Mohammed anrufen. Es geht niemand ran. Das Personal steht zu dritt um das Telefon herum und bangt mit mir. Schließlich geht Mohammed doch ans Telefon und verspricht, Haled zu kontaktieren und die Kamera in Hama wieder umzuleiten. Sie wird morgen zu uns gebracht.

So, und nachdem dieser Schock verdaut ist, schauen wir uns mal noch etwas in Aleppo um, obwohl es regnet und nicht grad hübsch anmutet…

bis die Tage
Salam Claudi :)

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