Wie ich in Valencia vergeblich aufs Silvester-Feuerwerk wartete
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In The Year 2525

Wie ich in Valencia vergeblich aufs Silvester-Feuerwerk wartete

Im Jahr 2525 werde ich aller Wahrscheinlichkeit nach schon seit ca. 450 Jahren ein Staubkorn im All sein. Ich könnte aber auch bereits zum 8. Mal wiedergeboren sein oder zum zweiten Mal aufgetaut – man weiß es nicht. Wie ich in letzterem Szenario ins besungene 2525 gerutscht sein mag, weiß ich indess sehr gut: nämlich nicht in Valencia! Es sei denn, die Spanier haben ihre Traditionen bis dahin grundlegend überdacht.

Sekt und Trauben – rechtzeitig kaufen

Nichtsdestotrotz kann das Städele am Meer auch heute schon was bieten, entscheidend ist die Einstellung, mit der man Valencia betritt. Da sollte man sich zum Beispiel darüber im Klaren sein, dass ein Städtetrip kein zweiwöchiger Urlaub sein kann. Und auch eine Woche ist zu viel, solange man nicht den Stadtstrand zu mehr als einen Hundeauslaufplatz nutzen kann.

Noch eine Grundvoraussetzung ist jene, am Silvesterabend entsprechend der Landestradition vorbereitet zu sein. Das setzt Wissen voraus – zu entnehmen einem beliebigen Reiseführer, aber auch aus einer intensiveren Google-Recherche erschließbar. Dann wüsste man, dass Spaniens Großstädte (und auch die drittvollste) am 31.12. den Ladenschluss recht weit auf den frühen Abend gelegt haben. Wer also nach 18 Uhr losmarschiert, um Sekt und Weintrauben zu kaufen, bereitet sich ein eher mageres Mitternachtsbüffet.

Fotos: Valencia

Apropos Büffet und andere Bespeisungsformate: auch Tapasbars und Restaurants (generell verwirrend mit all den Öffnungs- und Schließungszeiten am Tag) sind an diesem Abend nicht mehr zugänglich – weil sie entweder übervoll oder geschlossen sind. Das muss man als Berliner definitiv wissen, der Einzelhandel ist hierzulande ja dann doch etwas mehr aufs Geschäft aus. Metropolen scheinen einen in gewisser Weise zu verwöhnen und so zu falschen Annahmen zu führen… Der einzige Kiosk am Rathausplatz von Valencia nimmt sich bereitwillig all den fehlinformierten Touristen an und verkauft alles, was an Alkoholika noch im Lager ist. Das Lager ist klein.

Auf dem Rathausplatz ins neue Jahr

Der Geschäftssinn der Spanier bricht ungefähr genauso blitzartig und kurzlebig aus wie der Hang zu öffentlichen Versammlungen. Während man um 22 Uhr noch gemütlich zweisam vor dem illuminierten Rathaus auf- und abwandelt und in die geschlossenen Blumenlädchen lugt, ist erst um 23.30 etwas Bewegung auf dem Platz zu vernehmen. Wie aus dem Nichts füllt sich der Platz mit sektglasbewehrten Einheimischen, die eine Pulle Schampus und ihr Tütchen Trauben im Plastikbeutel vor sich hertragen. Und mit den aufmerksamen Einwanderern aus Ländern südlich des Mittelmeeres, die geistesgegenwärtig alle Kühltruhen der Stadt nach Bierdosen abgesucht haben und nun meistbietend ihre Beute an diejenigen verticken, die am Kiosk selbst für die letzte Flasche Schnaps noch zu spät kamen.

Kein Feuerwerk an Silvester?

Da stehste nun mit einer gefrorenen Dose Steinburg (nicht nur dem Namen nach mit Sternburg zu verwechseln) und stopfst mit jedem Glockenschlag eine imaginäre Glückstraube in den Mund und hoffst zumindest, das schüchterne Zischen einer Bierdose vom letzten Glockenschlag Punkt Zwölf und dem sich anschließenden Feuerwerksgeballere übertönen zu lassen. Auf dass die Glückswünsche fürs nuevo ano nicht auch imaginär bleiben! Doch das einzige, das knallt, sind die Sektkorken der Umstehenden, die gerade noch die letzte echte Traube runterschlucken. Dann tönt großes Hurra und Hola. Keine Rakete, kein Höhenfeuer, kein Paukenschlag. Nur viele Spanier, die Wünsche wünschen und Gruppenfotos fotografieren.

Abwarten und derweil ein eisiges Bierchen trinken. Da muss noch was kommen! Am Vorabend sind ein paar Hundert Leute unter ohrenbetäubendem Lichtspektakel und Live-Band-Begleitung in Superman-, Pharaonen- und Spongebob-Kostümen zu einem 5-Kilometer-Stadtmarathon aufgebrochen – das hier sollte doch größer oder wichtiger sein?! Während sich die Valencianer schon wieder auflösen, begreift man um 0.30 Uhr, dass Silvester in Spanien kein Event ist, bei dem Schwarz- und Metallpulver in die Luft gehen.

Wenn die Stadt mit der Fledermaus als Wappentier wenigstens seine kleinen Vampire damit schonen wollen würde. Aber nein, die haben keine einzige Fledermaus mehr in Valencia! Natürlich muss man das nicht haben – rausgepulvertes Geld, Umweltverschmutzung, Lärmbelästigung. Aber so ganz ohne bunte Lichter und Köpfe im Nacken ist das irgendwie effektlos öde zum Jahreswechsel.

Das hätte man natürlich wissen können und eben auch nicht zu viel vom sonst so feierwütigen Spanier erwarten brauchen. Aber eigentlich waren die eigenen Füße schon lange nicht mehr feierlaunig. Zu langwierig und weitläufig war die Suche nach Sekt, Trauben und Abendessen – ja, ein Reiseführer hätte Wunder getan. Und das die Erkenntnis eines reiseerprobten Vielländerkenners! Das zeigt aber auch: Ich komme immer noch zu selten durch die Welt! Ich hoffe, das Jahr 2011 wird dennoch ein gutes. Und bis Dezember kann man ja noch einige Reiseführer lesen. Andererseits bleibt ja noch genügend Zeit bis 2525…

Wünsch euch ein Feliz Ano Nuevo!

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